Italienische Reise

2006–2007

»Man reist ja nicht, um anzukommen, sondern um zu reisen.«
— Johann Wolfgang von Goethe

Zauberberge. Geologen sprechen prosaisch von hartem Dolomit und Riffkalkgestein. Wanderer genießen schlicht die grandiose Landschaft, ob im Winter oder im Sommer. — Venetien, Lagazuoi und Monte Pelmo

Auf Goethes Spuren

»Den 3. September früh drei Uhr stahl ich mich aus dem Karlsbad weg, man hätte mich sonst nicht fortgelassen. Man merkte wohl, dass ich fort wollte. Ich ließ mich aber nicht hindern, denn es war Zeit.«

So lautet der erste Eintrag im Reisetagebuch des Dichterfürsten Johann Wolfgang Goethe. Die fluchtartige Reise hatte Goethe von langer Hand geplant. Er wollte seinen Pflichten in Weimar entfliehen und Italien, von dem er schon so viel gehört und gelesen hatte, endlich mit eigenen Augen sehen.

Wie bei Goethe, gleichen die meisten Privatreisen einer Flucht. Raus aus dem Alltag, etwas anderes sehen, vielleicht sogar ein anderes Leben führen. Warum Italien? Meiner Wahl lag nicht mehr zugrunde, als eine unbestimmte Sehnsucht nach dem Süden und dem Wunsch, Goethes Motive zu fotografieren, die auch der Dichter auf seiner fast zweijährigen »Italienischen Reise« in vielen Skizzen und Tagebuchaufzeichnungen festgehalten hatte. Wie hätte Goethe heute fotografiert?

Von Goethes Begeisterungstaumel bis zu Rolf-Dieter Brinkmanns aggressiver Ablehnung – die Reisen deutscher Dichter nach und in Italien und der Niederschlag, den diese Reisen in ihren Werken fanden, begründeten maßgeblich die Italiensehnsucht der Deutschen. Goethe hat wie kein zweiter Maßstäbe für das Erleben Italiens gesetzt. Er lieferte die Worte und Bilder, um das Italienerlebnis angemessen verarbeiten zu können.

Mehr als 200 Jahre später reiste ich für Monate auf seinen Spuren. Nicht mit der Kutsche, sondern mit dem Wohnmobil. Die folgenden Bilder zeigen die Parallelen und Unterschiede dieser Reisenotizen.

Hügelwellen. Ein Siebtel Venetiens ist sanft geschwungenes Hügelland. Bei Asolo, dem »Ort der hundert Horizonte«, wirkt die gewellte Landschaft fast bukolisch. — Venetien, bei Asolo

Einer der schönsten Seen Italiens. Sonnenaufgang am Lago Maggiore bei Stresa. — Piemont, Stresa, Lago Maggiore

Malerischer Ausblick auf den Comer See vom Spiegelpavillon an der Uferpromenade der Villa Monastero. Varenna bildet mit Menaggio und Bellagio das »Goldene Dreieck« und ist einer der schönsten Orte Oberitaliens. — Lombardei, Lago di Como, Varenna, Villa Monastero

Körperkult. Wie überall im Land zählt die bella figura – hier am Strand von Lignano Sabbiadoro als schicke Symbiose von Werbung und Wirklichkeit. — Venetien, Lignano Sabbiadoro

»Besonders wollen mir die Frauen sehr gefallen. Sie haben eine gute Bildung und entschiedene Profile. Hier finde ich gar hübsche Wesen, besonders eine schwarzlockige Sorte, die mir ein eigenes Interesse einflößt.«
— Johann Wolfgang von Goethe

Der heilige Antonius von Padua ist bis heute Adressat vieler Bittgänger. Er ist der Schutzpatron der Liebenden und Reisenden. Und am 13. Juni, seinem Todestag, beten alle, die Verlorenes gern wiederfinden möchten. — Venetien, Padua

Jedes Jahr am 15. Mai, feiern die Bewohner Gubbios ihr ganz großes Fest. Die »Corsa die Ceri«, der Wettlauf der Riesenkerzen, versetzt Gubbio schon Tage vor dem Ereignis in fiebrige Spannung. — Umbrien, Gubbio

Der historische Wettlauf der Riesenkerzen, die »Corso dei Ceri«. Der Gewinner ist stets Sankt Ubaldo, der Stadtheilige. Daher wird die »Corsa die Ceri« auch »Lauf der Verrückten« genannt, da das Ende bereits zu Anfang feststeht. — Umbrien, Gubbio

»Überhaupt ist mit dem neuen Leben, das einem nachdenklichen Menschen die Betrachtung eines neuen Landes gewährt, nichts zu vergleichen.«
— Johann Wolfgang von Goethe

Demonstration der Kommunistischen Partei Italiens vor dem Mailänder Dom. Die KPI war einstmals mit 30% der Wählerstimmen die stärkste und politisch einflussreichste KP der kapitalistischen Industriestaaten. — Lombardei, Mailand

Mailand zählt neben Paris, New York und London zu den weltweit führenden Modemetropolen. Viele bekannte italienische Modemarken sind hier beheimatet. — Lombardei, Mailand

Kanäle statt Straßen. Venedig ist im Wasser zu Hause. Inmitten eines flachen Binnenmeeres wurde die Stadt auf mehr als 100 Inseln erbaut. — Venetien, Venedig

»So stand es denn im Buche des Schicksals auf meinem Blatte geschrieben, dass ich 1786 den achtundzwanzigsten September, abends, nach unserer Uhr um fünfe, Venedig zum erstenmal erblicken und bald darauf diese wunderbare Inselstadt betreten und besuchen sollte.«
— Johann Wolfgang von Goethe

Venedig im November. Der große Sommerzirkus ist vorbei. Nebel steigt über den Kanälen auf und verhüllt den Campanile und den Markusdom. — Venetien, Venedig

Sie gehören zu Venedig wie die Bobbys zu London oder die Schweizer Garde zum Vatikan: Seit Jahrhunderten lenkt der Berufsstand der Gondolieri die typisch venezianischen schlanken Boote. — Venetien, Venedig

Die malerische Landschaft des Val d'Orcia inspirierte viele Maler und wurde 2004 zum Weltkulturerbe der UNESCO ernannt. — Toskana, Val d'Orcia

»Die Toskana liegt nicht in Italien, sondern Italien liegt in der Toskana.«
— Johann Wolfgang von Goethe

Seit 3000 Jahren sprudelt bei dem Dorf Saturnia türkisblaues warmes Thermalwasser aus dem Gestein. Schon die Etrusker sahen in den dampfenden Quellen einen magischen Ort, spätestens seit den Römern werden dem Wasser Heilkräfte zugeschrieben. — Toskana, Saturnia

Mitten auf einem dreihundert Meter hohen Tuffsteinfelsen und weithin sichtbar erhebt sich das etwa viertausend Einwohner kleine Städtchen Pitigliano aus der Landschaft. — Toskana, Pitigliano

Die muschelförmige Piazza del Campo bildet das Herz von Siena. Gotische Palazzi der reichsten Familien formen die Kulisse des weiten Platzes. — Toskana, Siena

Der Dom von Orvieto gliedert sich harmonisch in das mittelalterliche Stadtbild ein. Eine einzigartige Synthese aus Architektur, Bildhauerei, Kunst und Malerei, die heute als Juwel der römisch-gotischen Architektur gilt. — Umbrien, Orvieto, Santa Maria Assunto

»Man darf nur auf der Straße wandeln und Augen haben, man sieht die unnachahmlichsten Bilder.«
— Johann Wolfgang von Goethe

Eines der schönsten Bauwerke der Toskana ist die beeindruckende Ruine einer ehemaligen Klosteranlage. Eine Kulisse, die der Regisseur Andrej Tarkowski in seinem Film »Nostalghia« eindrucksvoll in Szene gesetzt hat. — Toskana, Abazzia di San Galgano

Zwischen Mai und Ende Juli verwandelt die gleichzeitige Blüte mehrerer Blumensorten die Hochebene von Casteluccio in den Sibelinischen Bergen in ein Farbenmosaik. — Umbrien, Monte Sibellini, Casteluccio

Heldenverehrung für die Opfer des großen Krieges. Eine Heldentreppe in 22 Stufen, die sich einhundert Meter in die Höhe zieht. Hier liegen 100 000 Tote der Schlachten des ersten Weltkrieges – vom Soldaten Abate bis zum Soldaten Zuzzi. — Friaul, Redipuglia

Florenz, Welthauptstadt der Renaissance. Hier wirkten Galileo, Leonardo da Vinci, Michelangelo und Raffael. Nirgendwo sonst auf der Welt hat es eine so erfolgreiche Symbiose von Reichtum und Macht auf der einen und Kreativität und Genialität auf der anderen Seite gegeben. — Toskana, Florenz

Die Piazza della Signoria mit dem Neptunbrunnen ist das Zentrum von Florenz und einer der berühmtesten Plätze Italiens. — Toskana, Florenz, Piazza della Signoria

Angeborene Körpersprache: offene Ausstrahlung und die Kunst zu bezaubern. Schönheit vergeht, Charme bleibt. — Toskana, Florenz

»Deutsche Redlichkeit suchst du in allen Winkeln vergebens: Leben und Weben ist hier, aber nicht Ordnung und Zucht.«
— Johann Wolfgang von Goethe

In Florenz ist Mode eine Art der Kunst, die zum kulturellen Erbe der Stadt gehört. — Toskana, Florenz

Mona Lisa ist ein globaler Kult. Sie prangt auf Tassen, Untersetzern, Postkarten, Puzzles, Schürzen oder Topflappen. Hier vor den Uffizien als Touristenattraktion eines Pantomimen. — Toskana, Florenz

Als Original in den Uffizien, als Kopie auf dem Pflaster von Florenz: Mit seiner »Venus« hat Sandro Botticelli vor etwa 500 Jahren das Idealbild der Frau entworfen. Sie ist wohl die Schönste der Welt. — Toskana, Florenz

Der Vatikan ist mit dem Papst als Oberhaupt von weltweit rund einer Milliarde Katholiken das Zentrum der Christenheit. Hier ist man dem Himmel ein gutes Stück näher als irgendwo sonst. — Latium, Rom, Vatikan und Petersdom

»Ich kann sagen, dass ich nur in Rom empfunden habe, was eigentlich ein Mensch sei. Zu dieser Höhe, zu diesem Glück der Empfindung bin ich später nie wieder gekommen.«
— Johann Wolfgang von Goethe

Der Name der Engelsburg geht auf eine Legende aus dem Jahr 590 zurück, als Papst Gregor I. der Erzengel Michael erschienen sei und das Ende der wütenden Pestepidemie ankündigte. — Latium, Rom, Castel Sant'Angelo

Der »sterbende Gallier« in den Kapitolinischen Museen wurde zu einem der bekanntesten Werke antiker Bildhauerkunst. — Latium, Rom, Kapitolinische Museen

Eine der größten und wichtigsten Sammlungen der Welt an Kultur – und Kunstschätzen sind die Vatikanischen Museen. — Latium, Rom, Vatikanische Museen

Die Via Condotti ist Roms eleganteste Modemeile. Hier gibt es eigene Läden der Labels Armani, Prada, Gucci und vieler anderer. — Latium, Rom, Via Condotti

Pompeji wurde unter einer Schicht Asche begraben. Auch die Toten. Sie wurden förmlich eingebacken, und nachdem die Asche erkaltet und die Leichen verwest waren, blieben Hohlräume, die später mit Gips ausgegossen wurden. Wer Pompeji heute besucht, sieht die Gipsabdrücke erstickter Menschen und Tiere. — Kampanien, Pompeji

Bei dem oktogonalen Bau des Castel del Monte spielt die mystische Bedeutung der Zahl 8 eine Bedeutung. Schon von weitem ist der achteckige Bau, die »steinerne Krone« Apuliens, auf einem Hügel sichtbar. — Apulien, Castel del Monte

»Es ist wirklich zum Närrischwerden, wenn man die Klarheit, die Mannigfaltigkeit, duftige Durchsichtigkeit und himmlische Färbung der Landschaft, besonders der Fernen ansieht.«
— Johann Wolfgang von Goethe

Alberobello ist berühmt für seine außergewöhnlichen Häuschen mit kegelförmigen Dächern. Diese sogenannten »Trulli« aus dem 16. Jahrhundert wurden zum UNESCO – Weltkulturerbe ernannt. — Apulien, Alberobello

Kalziumkarbonat ist der Hauptbestandteil des feinkörnigen Kalksteins, aus dem die Steinmetze in Lecce die phantastischsten Ornamente des Barock herausputzten. — Apulien, Lecce

Der Blick von der auf einer Felsklippe gelegenen Stadt Tropea auf die Wallfahrtskirche Santa Maria dell'Isola ist so etwas wie ein Konzentrat Kalabriens. — Kalabrien, Tropea, Santa Maria dell'Isola

Am Capo Testa türmen sich die Felsskulpturen der Granitgestade, als hätte sie ein überirdischer Henry Moore modelliert. — Sardinien, Capo Testa

»Ein weißer Glanz senkt sich über Land und Meer und duftend schwebt der Äther ohne Wolken.«
— Johann Wolfgang von Goethe

Es gibt Hunderte von verschiedenen Trachten auf Sardinien: Jedes Dorf pflegt andere. Aber getragen werden sie nur noch zu Kirchfesten und Hochzeiten. — Sardinien, Desulo

Hirte sein heißt allein sein. Wenn Giuseppe seinen weidenden Schafen folgt, hat er oft keine Behausung. Dann ruht er sich unter Bäumen aus. — Sardinien, Aritzo

Auf ins Land des Regenbogens. Parole einer Traumwelt von unbeschränkter Freiheit auf einer der Felswände an der Steilküste Cala die Luna. — Sardinien, Cala di Luna

Die größte Mumiensammlung Europas befindet sich in der Unterwelt Palermos, in der Kapuzinergruft. Ein besonders gruseliger Anblick, denn die toten Körper tragen nicht nur Kleider – sie posieren auch noch. — Sizilien, Palermo,Catacombe dei Cappuccini

»Und wie sie leben, so begraben sie auch ihre Toten; da stört kein schwarzer langsamer Zug die Harmonie der lustigen Welt.«
— Johann Wolfgang von Goethe

Für die Sizilianer ist die Osterwoche, die settimana santa, das wichtigste religiöse Ereignis des Jahres. In Marsala wird am Gründonnerstag der Kreuzweg Jesu nachgestellt. — Sizilien, Marsala

Junge Mädchen mit kostbarem Kopfschmuck erinnern an die heilige Veronika, die dem kreuztragenden Jesus mit einem Tuch den Schweiß abwischte. — Sizilien, Marsala

Auf Sizilien haben Prozessionen und Passionsspiele Hochkonjunktur. Vor allem die traditionellen Umzüge der Kapuzenmänner, die von unterschiedlichen christlichen Bruderschaften ausgerichtet werden, stehen im Zentrum des Geschehens. — Sizilien, San Marco

»Genau betrachtet, möchte man doch wohl gut heißen, dass es so viele Heilige gibt; nun kann jeder Gläubige den seinigen auslesen und, mit vollem Vertrauen, sich gerade an den wenden, der ihm eigentlich zusagt.«
— Johann Wolfgang von Goethe

Mehr als 2500 Angehörige der Bruderschaften ziehen von Palmsonntag bis Ostersonntag eine Woche lang büßend und schweigend durch die Straßen von Enna. Schon Kinder gehören lebenslang den Bruderschaften an und haben die Gesichter mit Kapuzen bedeckt, die an den Ku Klux Klan erinnern und spanischen Ursprungs sind. — Sizilien, Enna

Traditionen haben auf Sizilien einen höheren Stellenwert als Gesetze, sind sie doch zumeist älter als das gerade geltende Recht. Eine dieser Traditionen ist die Mitgliedschaft in einer der über die Jahrhunderte zusammengefügten Bruderschaften. Jede Bruderschaft hat ihre Hierarchie, trägt andere Farben und hat eine eigene Kirche. — Sizilien, Enna

In allen Kirchen wird während der Heiligen Woche das Leiden und die Auferstehung Christi nachempfunden und verinnerlicht durch Riten und Gebräuche, durch Fasten und Gebete. Es geht um die lebendige Vergegenwärtigung der Passionsgeschichte. — Sizilien, San Marco

»Italien ohne Sizilien macht gar kein Bild in der Seele: hier ist erst der Schlüssel zu allem.«
— Johann Wolfgang von Goethe